Psychotherapeutische Praxis
Verhaltenstherapie • Schematherapie • EMDR

Schematherapie

Was versteht man unter Schematherapie?

Ursprünge der Schematherapie

Die Schematherapie ist ein Ansatz, der die Herangehensweise aus der kognitiven Verhaltenstherapie um erlebnis- und emotionsfokussierte Elemente erweitert. Der amerikanische Psychiater Jeffrey E. Young von der Columbia University in New York entwickelte den Ansatz, nachdem sich kognitive Verhaltenstherapie allein vor allem bei Patienten mit chronischen und schweren psychischen Störungen (z.B. Borderline-Persönlichkeitsstörungen) als nicht ausreichend erwiesen hatte.

Bestärkt durch vielfältige Erfolge wurde die Schematherapie in den letzten Jahren systematisch weiter entwickelt und kann mittlerweile vor allem Patienten mit variablen oder chronischen Symptomen, interpersonellen Problemen und schwierigen Beziehungsmustern als gut nachvollziehbares Behandlungs- und Erklärungsmodell dienen.

Die Schematherapie versteht sich als integrativer Ansatz, in dem angelehnt an allgemeinen Wirkprinzipien der Psychotherapie nach Klaus Grawe Elemente aus der kognitiven Verhaltenstherapie, der Gestalttherapie und der Objektbeziehungstheorie sowie aus psychodynamischen Konzepten zusammen mit emotionsfokussierten Methoden zu einem in sich schlüssigen Gesamtkonzept miteinander verbunden werden.

Kernannahmen der Schematherapie

Ähnlich wie in der Verhaltenstherapie wird beim schematherapeutischen Ansatz davon ausgegangen, dass nicht nur gedankliche Fehlschlüsse - auch „dysfunktionale Überzeugungen“ genannt - sondern vor allem die dahinterstehenden problematischen Emotionen zu ungünstigen, mitunter sogar selbstschädigende Bewältigungsmustern führen.

Fehlangepasstes Verhalten und problematische Grundüberzeugungen über sich und die Welt entstehen nach dem Konzept der Schematherapie dann, wenn grundlegende, für eine gesunde seelische Entwicklung unabdingbare Grundbedürfnisse wie bspw. nach stabilen Bindungen, Sicherheit, Akzeptanz, freiem Ausdruck, Selbstkontrolle oder Spontaneität etc. durch belastende emotionale (Beziehungs-)Erfahrungen in Kindheit und Jugend nicht ausreichend erfüllt wurden.

Kinder entwickeln unter schwierigen Bedingungen ohne ausreichenden Schutz oft Notlösungen in Form von „Überlebensstrategien“, um mit schmerzhaften Emotionen umzugehen und im Leben zurechtzukommen. Solche früh erworbenen „maladaptiven Schemata“ begünstigen die Entstehung und Aufrechthaltung psychischer und interpersoneller Probleme.

Die oft bereits in früher Kindheit gebahnten Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster sind im Erwachsenenalter nicht selten so automatisiert, dass sie nicht mehr reflektiert und dadurch auch nicht mehr in Frage gestellt werden können. Sie sind vielmehr Bestandteil der eigenen Identität geworden.

Und so führen diese neuronal „eingebrannten“ negativen Beziehungsmuster häufig dazu, dass auch im „Hier und Jetzt“ Bedürfnisse weder erkannt noch zum Ausdruck gebracht noch in langfristig gesunder Form erfüllt werden können. Stattdessen wird das „Hier und Jetzt“ aus der „Brille“ des früher verletzten Kindes wahrgenommen.

Entsprechend reinszenieren Betroffene regelrecht unbewusst ihre alten, negativen Beziehungserfahrungen und „tappen“ oft sogar wider besseres Wissen immer wieder in die gleichen „Fallen“, um vermeintlichen Verletzungen zu entgehen und um sich zu schützen. Je automatisierter die Schutzreaktionen, desto mehr dominieren sie das Denken und Handeln „aus dem Bauch heraus“ - auch wenn es der Kopf im Nachhinein oft besser weiß. Dann ist es aber oft schon zu spät.

Neue und vor allem korrigierende Erfahrungen können so kaum gemacht werden- der Teufelskreis aus Wahrnehmung oder Erwartung vermeintlicher Gefahren bzw. potentieller Verletzungen, problematischer Vermeidung oder Kompensation und nachfolgender Bestätigung früherer schmerzhaften Erfahrungen ist perfekt. Wer schon Zurückweisung erwartet, verhält sich z.B. bereits im Vorfeld reserviert oder reagiert auf vermeintliche Kritik schnell gereizt. Wenn sich das Umfeld dann verständlicherweise irritiert zurückzieht, sieht sich der Betreffende in seiner Annahme bestätigt, dass andere ihm nicht wohlgesonnen sind.

Mit Hilfe des Therapeuten sollten die Patienten in der Schematherapie ein tieferes Verständnis für die eigenen, durch belastende Erfahrungen in der Kindheit entstandenen Muster bzw. Schemata entwickeln. Dadurch werden sie Schritt für Schritt befähigt, ihre persönlichen Bedürfnisse besser wahrzunehmen und auf eine gesunde Weise besser zu erfüllen. Daher werden in der Schematherapie biographische Aspekte deutlich mehr berücksichtigt als in der klassischen Verhaltenstherapie, in der oftmals sehr symptom- und störungsbezogen vorgegangen wird.

Methodik in der Schematherapie

Anders als in anderen, mehr kognitiv ausgerichteten Therapieformen wird in der Schematherapie ein besonderer Fokus auf erlebnisaktivierende und emotionsfokussierte Methoden gelegt. Diese Vorgehensweise greift die immer deutlicher werdende Erkenntnis auf, dass die Aktivierung von Emotionen und „wunden Punkten“ in der Vergangenheit eine notwendige Voraussetzung für eine tiefgreifende Veränderung des inneren Erlebens ist. Ansonsten kann es sein, dass die eigenen Probleme zwar detaillierst reflektiert werden können, sich auf der emotionalen Ebene aber nur wenig ändert („Ich weiß das alles, aber es fühlt sich trotzdem anders an.“)

Um Zugang zu Emotionen zu bekommen und sich seiner problematischen „Trigger“ aus der frühen Entwicklung bewusst zu werden, wird in der Schematherapie sehr viel mit inneren Anteilen gearbeitet. Als Methode greift die Schematherapie Techniken aus der Gestalttherapie und die Psychodrama auf und nutzt  vor allem sog. Stuhldialoge, durch die sich unterschiedliche Anteile repräsentieren lassen, und Imagination. Diese für viele zunächst etwas irritierende Herangehensweise bietet erfahrungsgemäß nach Gewöhnung an diese Methode viel Raum für ein emotional intensives, kreatives und aktives therapeutisches Arbeiten.

Daneben kommen viele Verfahren zur Veränderung problematischer Sichtweisen sowie wenig hilfreicher Vermeidungs- und Kompensationsmechanismen wie Rollenspiele, Verhaltensexperimente, Hausaufgaben oder systematisches Hinterfragen von Überzeugungen etc. zum Einsatz, wie sie vor allem in der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie ihre Anwendung finden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Schematherapie mit ihrer Methodik anstrebt, eine Brücke zwischen den schädigenden Entstehungsbedingungen in der Vergangenheit zu den Problemen im Hier und Jetzt zu schlagen, um einen gesunden, selbstfürsorgliche und erwachsenen Umgang mit sich zu fördern und seinen eigenen Bedürfnissen in der heutigen Welt in angemessener Form Rechnung zu tragen.

Therapeutische Haltung

Eingeschliffene Muster zu durchbrechen, sich bewusst zu werden, in welchem Ausmaß man als Kind oft schutzlos schädigenden Bedingungen ausgeliefert war, sich mit schmerzhaften Gefühlen zu konfrontieren oder unbewusst übernommene Botschaften früherer Bezugspersonen zu bekämpfen, die die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls blockieren, ist eine große Herausforderung.

Oft haben Betroffene nie oder nur sehr eingeschränkt die Erfahrung gemacht, bedingungslos akzeptiert und in ihren Bedürfnissen ernst genommen zu werden, und wären auf sich allein gestellt mit dieser Aufgabe schnell überfordert.

Es ist Schematherapeuten daher ein Anliegen, den Patienten durch zeitweise Übernahme einer Art „Elternrolle“ im therapeutischen Kontext positive Beziehungserfahrungen zu vermitteln. die sie in jungen Jahren so dringend benötigt hätten und  dadurch frühe Bedürfnisse nachzuerfüllen. Dadurch wird ein Raum geschaffen, in dem Patienten in geschützten Verhältnissen Schritt für Schritt lernen können, neue, korrigierende Beziehungserfahrungen zuzulassen, eigene Muster zu verstehen und langfristig zu verändern.

Indem Patienten zunehmend spüren, was sie wirklich brauchen, können sie im Verlauf der Therapie sich selbst und anderen gegenüber eine wohlwollende und fürsorgliche Haltung entwickeln, aber auch Grenzen zu setzen.

Dipl.-Psych. Maria Meise
Psychologische Psychotherapeutin